Gelingt ihm der Twitter-Turnaround?
Aus Raider wurde Twix. Aus Twitter wird jetzt X. Wenn Elon Musk wieder einmal auf sich aufmerksam macht, stellt sich ein Mischgefühl von Neugier, Genialität und Absurdität ein. Während man ihm mit Paypal und Tesla noch hervorragenden Geschäftssinn attestierte, geriet dieser Befund spätestens seit seines Twitter-Kaufs (44 Mrd. Dollar) und seinen dortigen Anfangsaktivitäten ins Wanken.
Twitter leidet an Imageproblemen, das meiste davon ist hausgemacht. Mit seinen unternehmenspolitischen Interventionen wie Kündigungen, Infrastruktureinsparungen, User-Zugriffsbeschränkungen hat Musk der Marke geschadet. Resultat: Halbierung der Werbeeinnahmen. Der Wunsch nach einem Turnaround ist nachvollziehbar.
Das Vogelgezwitscher soll also der martialischen Ausdrucksstärke eines X weichen. Twitter war gestern, X soll für etwas anderes stehen: Musk spricht von einer „APP für alles“, von Finanzgeschäften bis hin zur Kommunikationsplattform. Was soll das sein? Ein neues Second Life? Ein Meta-Metoo? Das Ergebnis ist unklar. Zwei Szenarien sind denkbar.
Szenario 1: Mit X ändert sich alles fundamental
Twitter verfügt über 556 Mio. monatlich aktive Nutzer (Quelle: Statista, 01/2023). Darauf ließe sich aufbauen, wenn da nicht das Egoproblem von Herrn Musk wäre, der täglich auf die Zahlen seiner VIP-Konkurrenten Meta, Tiktok & Co. schielt. Die Marke verfügt über eine echte Sinnstiftung: die alltägliche Meinungsbörse rund um Haltungen, Ideen, News und Produkte zu sein. Wer als Opinionkrieger um kleinteilige Aufmerksamkeit kämpfen will, kommt um Twitter bis dato kaum herum. Deshalb stellt sich die Frage, ob nicht eine Zweimarken-Strategie die weniger riskante Wahl wäre, um Twitter nicht zu verwässern und gleichzeitig die X-Utopie weiter zu spinnen. Denn die neue Alleskönner-Plattform hat nur dann eine Berechtigung Twitter abzulösen, wenn sie durch weiterführende Leistungen und Funktionalitäten wirklich alles revolutioniert und in der Lage ist, den Twitter-Markenkern in sich aufzusaugen.
Szenario 2: Es bleibt beim reinen Rebranding
Wenn aus X keine Revolution wird, dann bleibt es bei einer Fassadenneugestaltung: blanke Branding-Kosmetik, mit der man die User der angestammten Marke Twitter vergrault und neue User nicht gewinnt. Bloße Umbenennungen kommen dem Auswechseln eines Türschilds gleich, wo man immer noch weiß, wer hinter dieser Tür wohnt.
Fazit
Singulär hochstilisierte Alphabetsbuchstaben haben etwas Biblisches, das „X“ etwas Selbstverliebt-Auratisches. Im Moment verfügt Musk nur über ein Zeichen, aber über keine starke neue Marke. Denn Markenkraft entsteht aus erfolgsursächlichen Leistungen, die in stabiles Kundenvertrauen münden. Welche Motive den visionär-undurchschaubaren Eigentümer eigentlich leiten, weiß im Moment niemand. Vielleicht auch nicht er selbst.
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